10 Jahre Ema.Li Teil 2: Da ist noch Platz für noch eine

Die Emanzipatorische Linke will eigne Strömung in der Linkspartei sein, Interview mit dem damaligen Bundessprecher der Ema.Li, Christoph Spehr im Neues Deutschland, erschienen am 27. Mai 2009

 

»Da ist noch Platz für eine«

Die Emanzipatorische Linke will eigene Strömung in der Linkspartei sein

Christoph Spehr ist neben der sächsischen Landtagsabgeordneten Julia Bonk Sprecher der Emanzipatorischen Linken in der Linkspartei. Der Bremer arbeitet seit 2007 bei der Bürgerschaftsfraktion und ist zudem Sprecher des Landesverbands. Mit dem 46-Jährigen sprach Ines Wallrodt.
»Da ist noch Platz für eine«

ND: Am Wochenende hat sich die Emanzipatorische Linke (Ema.Li) als weitere Strömung in der Linkspartei gegründet. Hat sie nicht schon genug Zusammenschlüsse?
Spehr: Die Strömungen sind überschaubar. Da ist noch Platz für eine.

Wo genau?
Unser Abstand zu den anderen Strömungen ist jeweils ähnlich groß. Es gibt Überschneidungen sowohl mit der Antikapitalistischen Linken (AKL) als auch mit dem Forum Demokratischer Sozialismus (FDS) und auch mit der Sozialistischen Linken (SL). Und es gibt viele Punkte, die nirgends so richtig aufgehoben sind.

Welche?
Ein wichtiges Thema für die Ema.Li ist das Ende der Arbeitsgesellschaft. Was wollen wir, wenn wir nicht den Sozialstaat der 70er, 80er Jahre wiederherstellen wollen? Wir stehen eher für eine individualisierte Perspektive auf Sozialwesen, wie sie sich unter anderem im Grundeinkommen ausdrückt. Wir beziehen uns stärker auf neue soziale Bewegungen und haben auch einen stärkeren feministischen und ökologischen Anspruch als er derzeit in der Partei verankert ist. Uns sind die Diskussionen um Internetfreiheit wichtig und um Entstaatlichung, in einem nicht-neoliberalen Sinne. Nicht alles, was man dem Kapital entreißt, muss gleich der Staat machen.

Klingt nach den Grünen der 80er Jahre.

Es ist sicher kein Zufall, dass es um Robert Zion bei den Grünen eine ähnliche Bewegung gibt.

Noch im November wollte die Emanzipatorische Linke darauf verzichten, »eine eigene machtpolitische Strömung zu bilden«, wie es auf der Hompepage heißt. Und selbst in ihrem Gründungspapier wünschen Sie sich eine Partei, in der man nicht zu einer Strömung gehören muss, um Einfluss zu nehmen. Wie passt das zusammen?
Wir sehen die Notwendigkeit, dass man sich organisieren muss, wenn einem Anliegen wichtig sind. Gleichzeitig können Strömungen dazu führen, dass Entscheidungen immer stärker machtpolitisch ausgerichtet werden. Es geht um die Quadratur des Kreises, ja. Unsere Diskussion läuft noch: Was ist eine Strömung der anderen Art? Eine vorläufige Antwort ist, dass man bei uns mitmachen kann, auch wenn man Mitglied einer anderen Strömung ist. Unser Ziel ist es nicht, eine große Strömung zu werden, die alles gegen alle anderen durchsetzt. Das wäre schlecht für uns und für die Partei.

Entscheiden die Strömungen in der LINKEN derzeit vor allem machtpolitisch?
Viele Auseinandersetzungen sind machtpolitisch härter geworden in den letzten zwei Jahren. Die Programmdiskussion liegt sehr lang schon in der Schublade und soll sie augenscheinlich auch nicht verlassen. Die Auseinandersetzung über die Richtung der Partei muss deshalb stark über Listenaufstellungen und Personen und Posten ausgetragen werden. Das ist eine sehr ungünstige Situation.

Bislang war die Ema.Li vor allem ein Netzwerk sächsischer Nachwuchspolitiker. In der politischen Praxis schien sie durchaus den Regierungslinken im FDS nahezustehen. Warum stärken Sie nicht diesen Flügel?
Mit dem FDS gibt es Überschneidungen hinsichtlich einer reformorientierten Politik und einer hohen Gewichtung individueller Freiheiten, vielleicht auch noch in der Staatskritik. Aber es gibt große Unterschiede in den Bewegungen, auf die man sich bezieht. In der Kapitalismuskritik stehen wir der AKL näher. Wir finden es wichtig, eine radikal andere Systemperspektive aufrecht zu erhalten, aber diese eben auch zu modernisieren.

Ist die Ema.Li außerhalb von Sachsen breiter verankert?
Wir beginnen gerade mit ungefähr 50 Leuten. In Sachsen, Berlin, Bremen dürften sich zügig eigenständige Zusammenhänge bilden, ansonsten gibt es überall Einzelpersonen. Der Altersdurchschnitt ist deutlich niedriger als in der Partei. Auch der Frauenanteil ist besser. Die Ema.Li könnte ein wichtiger Bezugspunkt werden für viele, die erst in den letzten Jahren eingetreten sind.


Die Strömungen

Die Emanzipatorische Linke gibt es seit April 2006. Die PDS-Politikerinnen Caren Lay, Katja Kipping und Julia Bonk meldeten sich damals mit einem Papier namens »Freiheit und Sozialismus – let’s make it real« zu Wort. In der LINKEN gibt es bislang drei große Strömungen: die Antikapitalistische Linke, die Sozialistische Linke und das Forum Demokratischer Sozialismus. Die letzten beiden sind anerkannte bundesweite Zusammenschlüsse. Voraussetzung dafür ist laut Satzung, in mindestens acht Landesverbänden entweder mindestens 0,5 Prozent der Mitglieder zu repräsentieren oder auf Landesebene anerkannt zu sein. Unterhalb dessen bringt ein Zusammenschluss Aufmerksamkeit und damit ggf. Einfluss. ND

 

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