Rede von Siegfried Seidel auf der Landesvertreter*innenversammlung in Braunschweig am 21.05.2017

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich möchte meine Rede mit einem Zitat von Erich Mühsam beginnen.

„Wenn ihr eure Ketten nicht zerreißt, – von selber brechen sie nicht!“

Erich Mühsam war ein anarchistischer deutscher Schriftsteller, Publizist und Antimilitarist. Als politischer Aktivist war er maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt, 1934 wurde er im KZ Oranienburg von der SS ermordet.

Warum erwähne ich das? Nun in kommenden Jahr ist das Ende des ersten Weltkrieges 100 Jahre her. Eine Folge daraus war, es kam in Deutschland zu Aufständen, der Novemberrevolution und einigen Räterepubliken. So gab in Norddeutschland kurze Zeit eine Räterepublik in Braunschweig und in Bremen, und es kam zu Aufstände in Wilhelmshaven, Oldenburg, Hamburg und Kiel.

Eine Errungenschaft aus diesen Zeiten, sind die Betriebsräte.

Und ich bin einen von vielen Betriebsräten in der Republik, zur Zeit leider nur Ersatz Betriebsrat, aber trotzdem kommen die Kolleginnen und Kollegen immer wieder mit Fragen und Nöten zu mir.

Als LINKER in einem SPD domierten Betriebsrat hat man es nicht einfach, aber ich boxe mich da gut durch und lasse mich nicht sozialdemokratisieren. Genauso müssen wir im Wahlkampf auftreten, wir müssen zeigen, das wir LINKE sind und kein Anhängsel der SPD.

Die Gesellschaft befindet sich in einem Umbruch: Autoritäre Strukturen sind wieder auf dem Vormarsch. Nationalismus, Neofaschismus, Rassismus, Antisemitismus und Krieg sind wieder gesellschaftsfähig. Feministische, soziale und ökologische Errungenschaften sind dadurch in Frage gestellt. Dies merke ich nicht nur im Betrieb, sondern auch bei mir im Stadtteil. DIE LINKE muss sich dagegen auf lehnen. Weil es sonst keine andere Partei tut.

Und weil wir das tun, konnten wir im Bezirk das Stimmergebnis von 3,6 % im Jahre 2006 auf 6,4 % im Jahre 2016 bei den Kommunalwahlen ausbauen. Als Direktkandidat im Wahlkreis 27 bei der letzten Landtagswahl bekam ich in meinen Bezirk 5,8%. Dieses ist in einen konservativen Stadtbezirk am Stadtrand ich immer leicht.

Die Landtagswahlen in NRW haben gezeigt, das wir es schaffen können. Leider fehlten uns gut 8000 Stimmen zum Einzug.

Durch unsere Themen der sozialen Gerechtigkeit konnten wir viele Menschen überzeugen uns zu wählen und das ist auch gut so. Aber die LINKE ist weit mehr als nur die Partei des Sozialen.

Die LINKE ist die Partei der Bürgerrechte. Diese sind in Niedersachsen noch nicht immer ausreichend ausgebaut.

So gibt es in Niedersachsen statistisch zwar alle 2,5 Jahre einen Antrag auf Volksbegehren und alle acht Jahre kommt es zu einem Volksbegehren. Aber Volksentscheide gab es noch nie. Bei einem Flächenland wie Niedersachsen ist das mehr als verwunderlich, denn Themen gibt es genug. Reformen sind dringend notwendig. Aber es gibt keine Reformbemühungen, was am fehlenden Willen der im Landtag vertretenen Parteien liegt.

Darum ist es wichtig, das eine starke Linke in den Landtag einzieht um dies zu ändern.

Im Stadtstaat Bremen gibt es das schon, das Wahlrecht für 16 jährige zu den dortigen Landtagswahlen, Niedersachsen muss dort nachziehen und DIE LINKE muss Vorreiter sein.

Es muss ein Kommunalwahlrecht geben für alle Einwohnerinnen.

DIE LINKE ist die Partei des sozialökologischen Umbaus.

Als Mitarbeiter eines Verkehrsbetriebs, ist es mir wichtig, das der ÖPNV und auch der Fernverkehr ökologisch und sozial verträglich ausgebaut werden. Das heißt Verkehrsunternehmen die Hybrid- und Elektrobusse anschaffen wollen, müssen noch stärker gefördert werden.

Die ökologische Frage darf nicht von der sozialen Frage abgeschnitten werden.

Niedersachsen soll Modellprojekte für den fahrscheinlosen ÖPNV in Angriff nehmen.

Eine andere Welt ist auch jetzt schon im hier und jetzt in der Praxis möglich. Das Zauberwort heißt solidarische Ökonomie. Selbstverwaltung, Ökonomie und Ökologie greifen in einander, Beispiel Jühnde, ein Dorf im südöstlichen Niedersachsen mit 800 Einwohnern: Dort gibt es eine Energiegenossenschaft, die mittels Nahwärmenetz die angeschlossenen Haushalte mit Heizenergie versorgt. Die Kundinnen und Kunden sind Mitglieder der Genossenschaft und bestimmen selbst über alle wichtigen wirtschaftlichen Belange. Die Energiefrage in eigener Regie lösen, besser, sauberer und dazu auch noch billiger – das war die Idee, die in Jühnde erfolgreich verwirklicht worden ist.

DIE LINKE ist die Partei der Menschenrechte.

  1. Das heißt für mich, dass Niedersachsen eine Geflüchtetenpoltik betreiben muss, die menschenwürdig ist.
  2. Das fängt bei den Unterbringungen an und schließt das Verbot von Abschiebungen ein, Afganistan ist kein sicheres Herkunftsland.
  3. Es muss für eine bessere Integration gesorgt, Sprachkurse müssen ausreichend vorhanden sein und der Nachzug von Familien muss geregelt werden.
  4. Dabei dürfen wir aber keinesfalls die bereits Abgehängten der niedersächsischen Gesellschaft vergessen, so muss das Land beispielsweise mehr für den sozialen Wohnungsbau tun – für alle Menschen!

Zu den Menschenrechten gehört für mich aber auch eine Gleichstellungspolitik von Frauen und Männern. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss so z.B. zur Selbstverständlichkeit werden. Beruf und Familie müssen einander bedingen, als Grundlage dazu sollte uns die „Vier in Einem“-Perspektive von Frigga Haug dienen.

Emanzipation muss sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche auswirken. Denn es geht nicht nur um die Emanzipation der Frauen, sondern um die Emanzipation Aller, die – in welcher Form auch immer – Unterdrückung ausgesetzt sind….

Noch ein Wort zu R2G, es ist in der Tat so, das wenn wir etwas verändern soll, kommen wir an SPD und Grünen nicht vorbei. Allerdings sollten wir anstatt auf R2G zu schielen, lieber für eine starke Linke kämpfen. Das heißt aber nicht das wir uns Verhandlungen mit den beiden Parteien nach der Wahl verschließen sollen. Ich für meinen Teil bin ein großer Freund von wechselnden Mehrheiten und Minderheitsregierungen. Das funktinoniert in den Skandinavischen Ländern, in Kanada oder den Niederlande schon lange. Also warum sollten wir guten Dingen nicht zustimmen und bei Mist sollen SPD und Grüne doch andere Mehrheiten holen.

Ich möchte meine Rede wieder mit einen Mühsam Zitat abschließen:

„Niemand kann frei sein, solange es nicht alle sind.“

 



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